VIP vs Normalsterbliche - Zum Schluss bleibt nur noch Mensch

Ich hatte letztens eine besondere Begegnung.. die ich gerne mit Dir teilen möchte. Durch eine Folge von aneinandergereihten Zufällen, ergab sich die Gelegenheit an einem Anlass teilzunehmen, der sonst nur einer gehobenen in sich geschlossenen Gesellschaft zusteht. Somit bot sich mir die Chance als Aussenstehende einen Einblick in eine mir eher Fremde Welt zu bekommen, was ich durchaus spannend und reizvoll fand.

 

In erster Linie freute ich mich über die Gelegenheit, da der Anlass an sich mich sehr interessierte und dies mal aus einer komplett anderen Perspektive aus erleben zu dürfen machte es besonders aufregend. Was zieht man also an, wenn man am liebsten nicht auffallen möchte. Wie kleidet man sich korrekt in einem Kreise der gehobenen Gesellschaft, um nicht als "nicht zugehörig" und Aussenstehende enttarnt zu werden?

 

Nachdem die Kleidungswahl durch war und ich fand es sei weder besonders auffällig in die eine, noch in die andere Richtung konnte ich also eintauchen in diese Welt. Es kam mir vor wie die Tür zu einer Parallel-Welt, die direkt neben der Normalen Welt koexistiert. Oder besser gesagt, von der höchsten Etage aus konnte man wortwörtlich "herunterschauen" auf die Normalsterblichen.

 

Es bot sich ein Weitblick und eine komplett neue Sicht auf ein mir bekanntes Gelände, welches ich bis dahin nur von der untersten, allen zugängigen Etage kannte. Alleine der Ausblick war ein Genuss, die Häppchen, Sekt etc. rundeten das Erlebnis weiter ab. So kam ich mir ein bisschen vor wie ein staunendes Kind, das Zutritt bekam in eine fremde spannende Welt. Ich genoss den Moment und war damit beschäftigt, zu beobachten und nicht aufzufallen. Wer mich näher kennt, weiss dass ich eher tollpatschig veranlagt bin.

 

Es waren viele Bekannte Gesichter im Raum, die ich nicht kannte und nach und nach erfuhr welche wichtigen Ämter oder Jobs sie ausführen und wer aktuell in Presse oder TV zu sehen war. Direkt neben mir setzte sich ein älteres Paar. Nach einer kühlen Begrüssung beschäftigten wir uns mit dem "hors d'oeuvre" und einem Kennenlern-Gespräch zu meiner anderen Seite, wo unser Gastgeber sass, dem wir diese Ehre zu verdanken hatten.

 

Nach einer Weile ertönte von der Dame neben mir ein kleiner Aufschrei und sie empörte sich darüber, dass wir Sie aussen vor lassen und nicht ins Gespräch mit einbeziehen. Total erschrocken hörten wir alle ihr zu und wussten erst gar nicht wie wir nun darauf reagieren sollen. Da ich zwar sehr offen aber eher zurückhaltend bin, hätte ich mich weder getraut sie direkt anzusprechen noch erwartet, dass Sie wünscht, an unseren Gesprächen teilzuhaben. So gab es ein paar Minuten betretene Stille und ratlose Blicke. Dann wendete ich mich direkt an Sie und begann eine Unterhaltung.

 

Wort für Wort begann die erstarrte Atmosphäre um uns zu schmelzen, nachdem Ihr Unmut sich etwas gelegt hatte, ergab sich ein Dialog und Sie war sichtlich zufriedener und versöhnlicher. Sie erzählte dies und das aus Ihrem Leben, während Ihr Mann sie liebevoll anschaute und zufrieden nickte. Sie war Teil eines renommierten und erfolgreichen Familienunternehmens. Je mehr ich mich mit Ihr unterhielt und beschäftigte, desto mehr spürte ich, dass diese Dame ihr Leben lang immer viel Lob & Anerkennung erhielt für Ihre Leistung und Arbeit und in der Gesellschaft viel Anerkennung geniesst durch Ihre Rolle. Dass aber keiner in dieser gesamten Familie je wirklich gesehen wurde. Sie definierte sich stark über diese Rolle der Grande Dame, weil das alles ist was sie hat und kennt. Ich erkannte, dass Ihre Ursprungsfamilie reich an finanziellen Mitteln und Möglichkeiten war aber gleichzeitig arm an Wärme, Liebe und Zuneigung.

 

In Ihren Gesicht, mit markanten und strengen fast schon versteinerten Gesichtszügen, sah ich in der Tiefe ein kleines Mädchen. Ein Mädchen das gesehen, angenommen und geliebt werden möchte. Das nach Zugehörigkeit, Anerkennung & Liebe strebt. In diesem Moment wandelte sich unsere Begegnung und wir sassen einander zugewandt und begegneten uns auf Augenhöhe. Es arbeitete in mir, während ich mich weiter mit ihr unterhielt. Ihre Gesichtszüge wurden weicher und ab und zu huschte Ihr sogar im Ansatz ein Lächeln über die Lippen.

 

Im Nachhinein verstand ich, dass diese Herkunft auch eine grosse Bürde mit sich bringt und sich manchmal wie ein zwischenmenschlicher Graben anfühlt. Wie schön dass es uns gelang, zwischen unsern so unterschiedlichen Welten eine Brücke zu bauen und uns in der Mitte zu begegnen und auszutauschen. Sie, die an einem komplett anderen Punkt in Ihrem Leben steht und ein komplett anderes Leben führt als ich das meine. Wenn die Fassaden und Rollen wegfallen bleibt nur noch Mensch übrig. 

 

Diese wertvolle Erfahrung hat mein Herz erwärmt und ich nehm sie gerne mit, um in Zukunft noch mutiger zu sein, hinter die Fassaden zu blicken und Begegnungsbrücken zu bauen. 

 

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